Veranstaltung: | LDV in Idar-Oberstein |
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Tagesordnungspunkt: | 2 Wahlversammlung zur Aufstellung von Bewerberinnen und Bewerbern für die Wahl zum 18. Landtag von Rheinland-Pfalz zur Landtagswahl 2021 |
Antragsteller*in: | Julia Jawhari (KV Speyer) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 13.06.2020, 09:34 |
B 1-LTW: Julia Jawhari / Kreisverband Speyer
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Listenplatz 13
Bewerbungstext
Liebe Freundinnen und Freunde,
vor einigen Jahren fing ich an mich mit dem Schicksal sogenannter Nutztiere in der industriellen Tierhaltung zu befassen. Mir wurde klar, dass fühlende, intelligente und soziale Lebewesen in Deutschland und auf der ganzen Welt jeglicher Freiheit, Selbstbestimmung und Würde beraubt und wie Waren, Rohstoffe oder Abfallprodukte behandelt werden. Mein Entsetzen und meine Wut darüber veranlassten mich im Jahr 2018 bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Speyer einzutreten. Ich wollte mich für die Rechte unserer Mitlebewesen stark machen. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass Tiere weit komplexere Geschöpfe sind, als wir vermuten und es keine scharfe Trennlinie zwischen „Mensch“ und „Tier“ gibt.
Die industrielle Tierhaltung mit ihren Folgen für Tiere, Umwelt, Klima und Gesundheit ist für mich eines der größten Übel unserer Zeit. Im Zusammenhang mit der dramatischsten Pandemie seit etwa hundert Jahren, die wir in diesen Tagen mit dem „Corona-Virus“ erleben, fordern Wissenschaftler*innen, die Art und Weise wie wir unseren Proteinbedarf decken, zu überdenken. Andernfalls werde die Gefahr des Virenübergreifens aus dem Tierreich rasant zunehmen.
Für mich wird in der derzeitigen Gesundheitskrise besonders deutlich, wie wichtig es ist, die Augen für wissenschaftliche Erkenntnisse zu öffnen. Politik und Wissenschaft sollten sich noch stärker begegnen. Wissenschaftliche Ergebnisse müssen in der Politik handlungsleitend sein. Auch wenn die Wissenschaft immer nur Teilaspekte der Wirklichkeit beleuchtet, ist sie doch die einzig gangbare Richtschnur in unserer hochkomplexen Welt. Sehr beunruhigend erlebe ich den Umstand, dass die Wissenschaft an Wertschätzung und Vertrauen zu verlieren scheint und sich undifferenzierte Halbwahrheiten, „Fake News“ und Verschwörungstheorien geradezu epidemisch ausbreiten.
Ich habe die AG Ernährung ins Leben gerufen, um der pflanzenbasierten Ernährung in Speyer einen höheren Stellenwert zu verschaffen. Mein Ziel ist es, die pflanzenbasierte Küche positiv zu besetzen, schmackhaft zu machen und genussvoll zu vermitteln. Ich komme zu diesem Thema mit vielen Menschen ins Gespräch und kann insbesondere bei Frauen ein wachsendes Interesse und eine Bereitschaft für eine Ernährungsumstellung sowie eine systemische Ernährungswende feststellen.
Darüber hinaus setze ich mich dafür ein Ernährungspolitik zu demokratisieren, Ernährungssouveränität für die Menschen zurückzugewinnen und über eine Regionalisierung von Lieferketten Ernährungssicherheit auch in Krisenzeiten sicherzustellen. Hierfür arbeiten wir in der AG Ernährung gerade an der Etablierung eines Ernährungsrates für Speyer.
Mein Mann ist Marokkaner, Franzose und Deutscher. Wir haben zwei gemeinsame Kinder, die beide diese drei Nationalitäten besitzen. Ich selbst trage den Namen meiner angeheirateten marokkanischen Familie. Interkulturalität ist für mich gelebte Selbstverständlichkeit und der Kampf gegen Rassismus hat für mich, für den Schutz und die Zukunft meiner Kinder, eine persönliche Dimension. Ich fühle mich als Europäerin, als Deutsche mit französischen Wurzeln (meine Großmutter war Französin; Französisch ist meine zweite Muttersprache) und als Rheinland-Pfälzerin, die in ihrer Kindheit und Jugend in Baden-Württemberg sozialisiert wurde.
Um die großen Herausforderungen unserer Zeit - die Klimakrise, das massive Artensterben und das Erstarken von Rassismus und Rechtsextremismus - zu bewältigen, brauchen wir, davon bin ich überzeugt, einen tiefgreifenden Kulturwandel. Ich denke, es ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel im Denken und Handeln erforderlich sowie eine neue ethisch-moralische Grundausrichtung. Da sich unsere Welt in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess befindet, haben wir gar keine andere Wahl, als uns der Herausforderung eines grundlegenden Wandels zu stellen.
Mit Albert Schweitzer (1875-1965) würde ich es als „Ehrfurcht vor dem Leben“ bezeichnen. Mit dem Satz „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“ bringt er diese Vision zum Ausdruck. Ich verstehe es als eine neue Behutsamkeit und Verantwortung für alles, was lebt bzw. für das, was wir recht distanziert als „Biodiversität“ bezeichnen. Ehrfurcht meint aber auch, dass alles Leben, unabhängig von Nutzen für uns Menschen, grundsätzlich eine Existenzberechtigung hat. Ich stelle die anthropozentrische Weltsicht und das Prinzip der Umwelt- und Ressourcenökonomik, nach welcher sich der Wert der Natur aus ihrem Nutzen für den Menschen ableitet, ganz grundsätzlich in Frage. Diese Haltung hat uns in meinen Augen in die heutige Umwelt- und Klimakrise geführt. Die Corona-Pandemie verstehe ich als Warnschuss an uns Menschen, den wir auf keinen Fall überhören sollten.
Im gleichen Atemzug möchte ich meine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass wir das tausendjährige Patriachat endlich überwinden. Die Zeit der „mächtigen weißen Männer“, die die Geschicke dieser Welt lenken, ist ein Auslaufmodell. Die männlich geprägte Vergangenheit hat unsere planetaren Grenzen mit einem Wirtschafts- und Wertschöpfungsverständnis, das in einer begrenzten Welt mit endlichen Ressourcen allein auf Wachstum setzt, ausgereizt. Wir Frauen existieren politisch erst seit 100 Jahren und müssen gerade heute, wo vor allem im Netz Hass und Gewaltandrohungen gegen Frauen an der Tagesordnung stehen, noch mehr Mut aufbringen, unsere Anliegen und Ansichten öffentlich vorzubringen. Über Jahrtausende wurden wir Frauen aus dem öffentlichen Raum verbannt und heute sollen wir durch Einschüchterung wieder daran gehindert werden, diesen Raum für uns zu beanspruchen.
Ich möchte als Frau aktiv an der Transformation unserer Gesellschaft mitwirken.Ich möchte mich für eine Zukunft stark machen, in der wir behutsam mit allem Lebendigen umgehen und für eine Politik, in der neben wissenschaftlich fundierter Problemanalyse Mitgefühl eine größere Rolle spielt als verkürzter Pragmatismus.
Biografische Daten:
Ausbildung
- Schauspielstudium an derAccademia Teatro Dimitri in der italienischen Schweiz – Abschluss mit Bachelor of Arts
- Studium der Psychologie, Publizistik und Sozial- und Präventivmedizin an der Universität Heidelberg und an der Universität Zürich – Abschluss mit Master of Science
Berufsleben
Ich war im künstlerischen, sozialen und akademischen Bereich tätig. Ich habe mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen (insbesondere Frauen) und alten Menschen gearbeitet. Ich habe mehrere Jahre im Tessin, in Frankreich und in der deutschsprachigen Schweiz gelebt, studiert und gearbeitet.
Seit Juli 2019 leite ich die Geschäftsstelle von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rhein-Pfalz-Kreis.
Aktive Politik
- Im erweiterten Vorstand des KV Speyer von 2018-2020
- Stadträtin in Speyer seit 2019
- Sprecherin der AG Ernährung
- Mitglied im Ausschuss für Stadtklima, Umwelt und Nachhaltigkeit, im Ausschuss für Digitalisierung, im Aufsichtsrat der Wirtschaftsförderung / WES GmbH
Mehr von mir unter: www.juliajawhari.com